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Bad Reichenhall
Klaus Unterharnscheidt (58) ist Geschäftsführer der Bad Reichenhaller Predigtstuhlbahn, die ihre Gäste von der ersten Fahrt 1928 bis heute ausnahmslos sicher zu Berge gebracht hat. Seine „alte Dame“ hält er entsprechend keineswegs für betagt, sondern allenfalls in ihren besten Jahren. Im Interview erzählt er, wie regelmäßige Frischzellenkuren – etwa die Pflege des denkmalgeschützten Gebäude-Ensembles oder Events wie der neue „Sundowner" – die Bahn in Schwung halten und ihren nostalgischen Charme für Jung und Alt erlebbar machen. www.predigtstuhlbahn.de, www.bad-reichenhall.de
Foto (download): Klaus Unterharnscheidt ist Geschäftsführer der historischen Predigtstuhlbahn in Bad Reichenall und besonders stolz auf „sein“ Standesamt am Berg, denn dort werden Ehen beinah im Himmel geschlossen. Bildnachweis: Predigtstuhlbahn Bad Reichenhall
Herr Unterharnscheidt, die Predigtstuhlbahn ist die älteste im Original erhaltene, ganzjährig verkehrende Großkabinenseilbahn der Welt und wurde 2006 vom Bayerischen Amt für Denkmalschutz zum technischen Denkmal erklärt. Wie wartet man einen solchen Oldtimer?
Die Predigtstuhlbahn wird täglich vor Fahrtbeginn von unseren Betriebsleitern und dem Fachpersonal auf einwandfreie Betriebsbereitschaft und Sicherheit geprüft. Unsere Mitarbeiter sind top ausgebildete Elektriker, Maschinenbauer, Schlosser und extra für Seilbahnbetriebe geschulte Maschinisten. Jeder hat sein Spezialgebiet. Zweimal jährlich finden umfangreiche Revisionen statt – einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. Dann wird die Seilbahn in Zusammenarbeit mit externen Fachfirmen auf Herz und Nieren geprüft. Alle Arbeiten stehen immer in enger Abstimmung mit der Seilbahnaufsicht und dem Denkmalschutzamt. Übrigens: Seit Inbetriebnahme fährt die Predigtstuhlbahn sicher und unfallfrei von Bad Reichenhall zum Gipfel.
Wer waren die prominentesten Gäste der Predigtstuhlbahn damals und heute?
Die Predigtstuhlbahn zog nach ihrer Eröffnung 1928 vor allem die gehobene Gesellschaft auf den Berg. So fanden sich in den Anfangsjahren unter anderem der bayerische Kronprinz des abgedankten Königreichs von Wittelsbach zusammen mit einigen engen Vertrauten inkognito auf dem Bad Reichenhaller Hausberg ein. In den 1950er-Jahren genoss der damals regierende Bayerische Ministerpräsident Hans Ehard die gute Bergluft. Besonders beliebt war der Predigtstuhl auch bei Skibegeisterten aus der ganzen Welt. 1958 beispielsweise nahm kein Geringerer als der spätere Weltklasserennläufer Willi Bogner an der Reichenhaller Jugendskimeisterschaft teil. Beim gleichen Wettbewerb startete Heidi Biebl. Sie wurde zwei Jahre später Olympiasiegerin in der Abfahrt in Squaw Valley. Tierische Prominenz erlangte die sagenumwobene „zahme Gams vom Predigtstuhl“ in den Dreißigern. Der Überlieferung nach fuhr sie gern und oft mit der Gondel bergauf, bergab. Heutzutage geben sich beispielsweise bei beliebten Sommerveranstaltungen wie „Kochlegenden am Berg“ die Spitzenköche Alfons Schuhbeck und Andreas Geitl die Ehre.
„In Rücksicht auf das anspruchsvolle Kurpublikum von Bad Reichenhall darf es nicht an Eleganz und Bequemlichkeit fehlen“, hieß es kurz vor Eröffnung der Predigtstuhlbahn. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Mit welchen Finessen beeindrucken Sie Ihre Gäste heutzutage?
Einmalig ist wohl die Tatsache, dass man mitten aus der Stadt dem Trubel des Alltags entfliehen kann. Binnen achteinhalb Minuten geht es hinauf in eine völlig andere Welt. Heute wie damals bietet der Predigtstuhl einen Rückzugsort ganz ohne Lärm und Hektik. Entschleunigung, Entspannung pur, ausgezeichnete, pollenfreie Bergluft sowie ein kulinarisches Angebot, das seinesgleichen sucht, machen den Predigtstuhl zu einem Ausflugsziel der besonderen Art. Man fühlt sich wohl, auch weil hier ein wenig die Zeit stillzustehen scheint. Keine laute Musik, keine actionreichen Sportveranstaltungen, sondern beschauliche Bergidylle und wohlige Sehnsuchtsorte gepaart mit attraktiven Veranstaltungen und gelebten traditionellen Werten. Das macht den Predigtstuhl einzigartig.
Sie sind seit 2020 Geschäftsführer der Bad Reichenhaller Predigtstuhlbahn, kommen aber ursprünglich aus dem Rhein-Main-Gebiet. Was hat Sie an Aufgabe und Region besonders gereizt?
Gebürtig bin ich im Rhein-Main-Gebiet, wo ich seit 2009 auch wieder gelebt und gearbeitet habe. Davor war ich gemeinsam mit meiner Familie über viele Jahre hinweg beruflich in verschiedenen Ländern unterwegs. Auch wenn wir keinen Tag davon missen möchten, haben wir immer gespürt, wie schön das Leben in Deutschland ist. Schon seit Längerem hatten wir mit einem Wechsel nach Süddeutschland geliebäugelt. Als ich dann 2018 bei einem Gespräch mit dem Eigentümer der Seilbahn, Max Aicher, zum ersten Mal bei Sonne und Schnee auf dem Predigtstuhl mit seiner historischen Bahn stand, war die Begeisterung für den Job und ein Leben in dieser einmaligen Gegend sofort entflammt. Hobbys wie Skifahren und Bergwandern tun dann ein Übriges. Nach einem langen Berufsleben in sehr großen multinationalen Konzernen und vielen Meilen im Flieger, genieße ich heute die Arbeit mit einem kleinen, motivierten und bestens ausgebildeten Team, das ein technisches Denkmal erhält und unseren Gästen endlich – nach vielen Monaten Lockdown – voraussichtlich ab Ende Mai wieder einmalige Bergerlebnisse beschert.
Das Bergrestaurant mit Kaffeeterrasse, einst im Stil der „neuen Sachlichkeit“ (Vorreiter des Bauhaus) errichtet, steht ebenso wie die Bahn unter Denkmalschutz. Erzählen Sie uns etwas über die bauliche Geschichte der Predigtstuhlbahn …
Der Ingenieur Alois Zuegg und der Fabrikant Adolf Bleichert, damals weltgrößter Seilbahnhersteller, perfektionierten in den 1920er Jahren mit dem „System Bleichert-Zuegg“ den Seilbahnbau durch mehrere Innovationen. Mit der Predigtstuhlbahn gelang ihnen ein Meisterwerk, auch weil Wilhelm Kahrs als Architekt für die Gebäude gewonnen werden konnte, der Direktor der Baufirma Hochtief. Die Planung der charakteristischen Monumentalstützen übernahm das Ingenieurbüro von Otto Streck und Alfred Zenns. Als am 1. Juli 1928 die Predigtstuhlbahn ihren Fahrbetrieb aufnahm, war die Stimmung euphorisch. Für Bad Reichenhall galt die Bahn als Inbegriff des Aufschwungs. Die Weltpresse rühmte Geschwindigkeit, Lautlosigkeit und Sicherheit. Diese Attribute sind heute wie damals gültig. Der Predigtstuhl entwickelte sich zum Treffpunkt der gehobenen Gesellschaft.
In den vergangenen Jahren wurde dank neuer Eigentümer stetig in das Gebäude-Ensemble investiert und so konnte 2014 nach umfangreicher Sanierung auch das Bergrestaurant wieder in Betrieb genommen werden. Ziel war es, das nostalgische Flair, das am 1.614 Meter hohen Predigtstuhl an die Anfänge des Tourismus erinnert, zu erhalten und Besuchern auf eine zeitgemäße Art und Weise die Entdeckung der „neuen Langsamkeit“ zu ermöglichen.
Zuletzt haben wir – pünktlich zum 90. Geburtstag der Predigtstuhlbahn – die edle Beletage im Souterrain des Bergrestaurants eröffnet. Der Baustil ist an das feine Adlon Berlin angelehnt, verwendet wurden nur ausgesuchte Materialien und feinstes Interieur. Die rustikalen Max Stuben ergänzen sich dabei wunderbar mit dem noblen Charme der Panorama-Lounge „Evelyns“.
Kann man die Beletage ausschließlich im Rahmen einer gebuchten Festivität besuchen?
Die Beletage bietet den passenden Rahmen für exklusive Veranstaltungen jeder Art. Dort können dank modernster Medientechnik in absoluter Ruhe Tagungen, Incentives und Seminare stattfinden. Jubilare empfangen im privaten Bereich ihre Gäste und Hochzeitspaare geben sich an diesem besonderen Ort das „Ja-Wort“. Darauf sind wir natürlich besonders stolz. Die Beletage gilt als eins der höchstgelegenen Standesämter Deutschlands. Es ist schon etwas ganz Besonderes, dort oben in dieser einmaligen Kulisse den Bund fürs Leben einzugehen. Regelmäßig ist die Beletage auch beeindruckende Location für die Gourmetabende des Restaurants. Beim feinen Degustations-Menü beispielsweise diniert man im Sonnenuntergang und genießt neben einem unvergesslichen Gaumenfestival auch ein unbezahlbares Panorama bis hin zum Chiemsee.
Prosecco-Samstag, Sonntagsbrunch, Frühstück mit Aussicht sind nur einige der Veranstaltungen, die Sie für Ihre Gäste organisieren: Was ist darüber hinaus noch geplant?
Die Sonnenuntergänge auf dem Berg sind einfach unvergleichlich. Das wollen wir unseren Gästen nicht mehr länger vorenthalten. Deshalb wird es künftig in den Sommermonaten jeden Donnerstag bei entsprechender Witterung bis 21 Uhr den "Sundowner" geben. Überhaupt erweitern wir unser Abendangebot. So fahren wir von Mai bis Mitte September regulär täglich bis 20 Uhr. Kulinarische Highlights sind für die Freitagabende geplant – dann kocht unser Spitzenteam feine Abendmenüs jeweils unter einem anderen Motto. Und natürlich bleiben wir unseren Formaten, wie den beliebten „Musi-Wochenenden“ im Oktober oder den „Mystischen Winterabenden“ im Dezember, treu. Man darf gespannt bleiben – wir haben noch weitere tolle Ideen in petto.
Wer kocht bei Ihnen und nach welcher Philosophie?
Der gesamte Gastronomiebereich, also unsere urige Schlegelmuldenalm und das gehobene Bergrestaurant, trägt die Handschrift von Mit-Geschäftsführer Wolfgang Rieder. Seine große Erfahrung auf diesem Gebiet und die lokale Verbundenheit als Einheimischer bilden die perfekte Mischung, die uns verdientermaßen den Ruf als „Gourmet-Berg“ eingebracht hat. Chefkoch Christian Klement und sein Team kochen regional und saisonal mit feinem maritimen Einfluss. Wichtig sind absolute Frische und qualitativ hochwertige Produkte. Die Logistik ist bei einem Bergrestaurant natürlich besonders herausfordernd. Täglich müssen die Lebensmittel vor Betriebsbeginn am Morgen vom Tal auf den Berg gebracht werden. Oben angekommen wird alles frisch zubereitet und mit viel Liebe zum Detail für unsere Gäste gekocht. Christian Klement hat einen Sinn für feine Aromen und weiß, wie man mit edlen Gewürzen eine unwiderstehlich besondere Note schafft. Echte bodenständige Klassiker im modernen Gewand – das ist die Kunst!
Ihr persönlicher Wandertipp am Predigtstuhl?
Die Bergwalderlebnisrunde ist einfach wunderschön. Ein wenig sportlich sollte man sein, denn sie führt gleich nach dem Bergrestaurant rechts talwärts auf den Moosensteig in den Bergwald hinab. Über die derzeit nicht bewirtschaftete „Obere Schlegelalm" geht es weiter über eine traumhaft schöne Almwiese zur Schlegelmuldenalm. Dort stärken sich Wanderer mit deftigen bayerischen Schmankerln und einem kühlen Getränk, bevor man über einen alpinen Steig den Predigtstuhlgipfel erreicht. Die Gehzeit beträgt zirka eine Stunde. Trittsicherheit und gutes Schuhwerk sind zu empfehlen. Alternative: zuerst noch von der Schlegelmulde auf den Hochschlegel. Von dort hat man eine fantastische Aussicht auf die umliegende Bergwelt, auf Bad Reichenhall und das Salzburger Land.
2028, feiert die Predigtstuhlbahn ihren 100. Geburtstag. Was wünschen Sie sich zu diesem Jubiläum für Ihr „Baby“ bzw. wo sehen Sie die Predigtstuhlbahn dann?
Technisch sehe ich die Bahn auch nach 100 Jahren so zeitlos wie eh und je. Technik, Antrieb, Steuerung – alles behutsam fortlaufend an die Anforderungen eines modernen und sicheren Seilbahnbetriebs angepasst. Dabei darf meiner Meinung nach auch künftig der einmalige Charakter nicht verloren gehen. Die Predigtstuhlbahn ist nicht retro – sie ist und bleibt DAS Original!
Beispiellos ist auch heute noch, selbst im Vergleich zu neuen Bahnen, die nahezu geräuschlose und vibrationsfreie Berg- und Talfahrt. Das Erleben dieser Technik wollen wir unseren Gästen in den nächsten Jahren noch näher bringen und arbeiten daher bereits an entsprechenden Konzepten. Die Ruhe am Berg bedingt durch die begrenzte Kapazität der Bahn, die Reinheit der nahezu pollenfreien Luft und die ausgezeichnete Kulinarik werden auch nach 100 Jahren die Grundpfeiler der Predigtstuhlbahn sein. Bis dahin hoffe ich auch sehr, dass sich möglichst viele Paare in der Beletage das Ja-Wort geben und damit den Grundstein für viele weitere Generationen von „Predax“-Fans legen, wie die Bad Reichenhaller ihren Hausberg nennen.
Interview: Natalie Schneider/Jessica Harazim, AHM PR
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